Vieles spricht dafür, dass es dem
Feminismus paradoxerweise dienlicher wäre, weniger über moderne Frauen und mehr über moderne Männer nachzudenken:
Eine einfache Erklärung – pinke und blaue Sitze
Stellen wir uns einen Saal vor, in dem 50 Frauen auf pinken Stühlen Platz nehmen, und 50 Männer auf blauen Stühlen. Bis irgendwann einige Frauen zu der Ansicht geraten: „Pinke Stühle sind ja ganz nett – aber ein blauer wäre mir lieber.“ Die Männer hingegen bleiben bei der Ansicht: „Ein pinker Stuhl? Ich? Auf keinen Fall!“. Was wäre in diesem Szenario diejenige Aufteilung, die möglichst wenig Menschen unglücklich machen würde?
Es wäre genau die gleiche Aufteilung wie bisher. Frauen auf pink, Männer auf blau. Denn bei jedem Tausch würde zwar eine Frau ein bisschen glücklicher, aber dafür ein Mann wesentlich unglücklicher. Stillstand ist
die reibungsärmere Variante.
Nun stehen bei diesem Gleichnis pinke Stühle für Hausarbeit, Kinderbetreuung, Geringverdienst und weniger berufliche Selbstverwirklichung, während auf blauen Stühlen die Ernährenden mit Vollzeitjob und Überstunden sitzen. Ignorieren wir für einen Moment, dass es (zum Glück) auch blau-pinke Mischformen gibt, lässt sich das Verteilungsproblem übertragen: Solange den meisten Männern die pinken Stühle unattraktiv erscheinen, wird es bestenfalls Frauen geben, die sich einen blauen Stuhl erkämpfen. Wer aber statt Geschlechterkampf ein harmonisches Miteinander wünscht, der braucht für eine reibungsfreie, gerechtere Verteilung mehr Männer, die auf pinken Stühlen sitzen wollen.
Doch warum gibt es so wenige, und wie lässt sich das ändern?
Die Männer sind schuld!
Öfter als wir es uns eingestehen wollen, nehmen wir traditionelle Rollenbilder als selbstverständlich an – und sind im Umkehrschluss nicht bereit für neue Wege. Beispielsweise ist die Anzahl der Männer, die sich zur Betreuung eines kranken Kindes beurlauben lassen, immer noch deutlich niedriger als die der Frauen – da guckt der Chef ja auch nicht so komisch.
Ein Beispiel hierfür erfuhr ich selbst, als ich bei meinem Diplombetreuer um mehr Zeit bat. Der Grund war, dass meine Partnerin Studium und Job gleichzeitig schultern musste, und unser Sohn Aufsicht brauchte. Ich erntete einen mitleidigen Blick, und drei Minuten später den Ratschlag „Machen Sie Ihrer Frau klar, dass Sie in den nächsten fünf Wochen nicht zur Verfügung stehen“. Und obwohl mein Betreuer eigentlich eine nette Person war, hatte dieser Satz beide Geschlechter gleichzeitig arrogant vor den Kopf gestoßen – die Frau, die sich gefälligst ums Kind zu kümmern hat, und den Mann, der das mit der Kinderaufsicht ja wohl hoffentlich nicht ernst gemeint hat.
Falls wir Männer doch mal in eine weiblichere Rolle geraten, ist das ein Auswärtsspiel, wo uns mangelndes Selbstbewusstsein hemmt. Wie schnell dieses von 100 auf 0 in den Keller rutschen kann, musste ein Kollege von mir erfahren, der seiner Dozentin angetrunken zu verstehen gab, dass man bei den Teamsitzungen ihr unter den Rock schauen konnte, wenn sie auf dem Barhocker saß – dass ihm der Anblick aber gut gefiel. Seine Selbstsicherheit wurde dann mit einer Ohrfeige auf den Boden geholt, und per Mail bestätigte die Dozentin nochmal, die Ohrfeige sei berechtigt gewesen. Sie wurde nicht weiter verfolgt – aber was wäre umgekehrt gewesen, hätte eine Studentin einem Professor anzügliche Komplimente gemacht, dieser hätte sie geohrfeigt und dann auch noch per Mail seine Handlung als richtig bezeichnet? Er hätte genauso gut seine Kündigung mailen können. Kaum eine Studentin würde das durchgehen lassen, zumal mit Beweismittel. Aber wo gibt es einen Männerbeauftragten, der den Geohrfeigten unterstützt? Zumindest nicht an der TU Berlin.
Beide Beispiele zeigen, dass wir Männer Schwierigkeiten haben, vermeintlich schwächere Rollen einzunehmen, womit wir bei einem dritten Problem wären: Männliche Rollen sind bequemer. Am Ende des Tages rudern wir dann doch lieber nicht gegen den Strom subtiler Hindernisse und tendieren öfter zu klassischen beruflichen und sozialen Verhältnissen. Die Ausnahmen bestätigen hier die Regel, machen aber noch keine Quote.
Die Bequemlichkeit herkömmlicher Konstellationen ist wiederum ein Hindernis in der Partnerfindung für beruflich erfolgreiche Frauen – denn jene Männer, die zum einen ihren Ansprüchen gerecht werden, und zum anderen selbstbewusst genug sind, der Geringverdiener in der Partnerschaft zu sein, sind noch rar.
Die Frauen sind schuld!
Natürlich sind es nicht nur Männer, die ihrer eigenen Modernisierung im Weg stehen – auch viele Frauen, ironischerweise oft die emanzipiertesten. Denn das Belächeln von Hausfrauentätigkeiten, welche in den Augen mancher Vorstandschefin die geringere Leistung oder Selbstverwirklichung bedeuten, geht nach hinten los. Dabei ist diese Haltung verhandlungsstrategisch ein grober Patzer: Wer einen pinken gegen einen blauen Stuhl tauschen will, ist ziemlich schlecht beraten, über pinke Stühle zu lästern. Das Gegenteil könnte vielleicht Wunder wirken, aber wie oft findet man die selbstbewusste Hausfrau, die ihr Leben zwischen Kindern und Küche genauso spannend darstellt wie ihr Gatte, der im Betrieb sechsstellige Summen unter Hochdruck verwaltet? Es wäre jedenfalls falsch, eine solche Dame als Bremse feministischer Ziele zu diffamieren. Denn Werbung für pinke Stühle gibt es viel zu wenig. Und wenn von beiden Geschlechtern die blauen Sitze als attraktiver wahrgenommen werden, dann gibt es nur noch zwei Alternativen: Geschlechterkampf und/oder Stillstand.
Falls sich dann doch mal ein Mann findet, der sich in traditionell weiblichen Disziplinen versucht, trifft ihn oft fehlendes Zutrauen: viele Frauen sind beispielsweise überzeugt davon, in punkto Intuition und Multitasking ihrem Partner überlegen zu sein. Was wichtige Voraussetzungen für Mutter-Tätigkeiten sind.
Interessanterweise konnte aber die Psychologie bis heute nicht belegen, dass Männern hier irgendeine Minderbegabung angeboren wäre; Intuition und Multitaskingfähigkeit sind je nach Situation anders ausgeprägt, und schlicht eine Frage des Trainings. Die falsche Überzeugung, dass auf diesen Gebieten Frauen unweigerlich überlegen wären, ist aber bei beiden Geschlechtern verbreitet.
Das größte Emanzipationshemmnis produzieren Frauen möglicherweise durch ihr Partnerwahlverhalten. Ein Journalist erlaubte sich den Spaß, mit haargenau dem gleichen Profil bei einer Partneragentur zweimal auf Partnersuche zu gehen, wobei er nur ein kleines Detail änderte: das erste Mal war er vorgeblich Erzieher, das zweite Mal Pilot. Letzterer bekam deutlich mehr Zuschriften. Brisant war vor allem, dass von den Frauen mit akademischer Ausbildung und Kinderwunsch keine einzige dem Erzieher geschrieben hatte, aber Dutzende dem Piloten. Und diesen Damen hätte ich wirklich gerne die provokante Frage gestellt: „Sacht mal, meint ihr das mit der Vereinbarkeit von Kind und Beruf eigentlich ernst?“ Wenn ja, dann gibt es doch kaum etwas besseres als einen Erzieher als Vater! Er ist vom Fach, vor Ort, und vielleicht eher noch zu einer Elternzeit zu bewegen als ein Manager. Und garantiert eher als ein Pilot, der sicher nicht das kranke Kind spontan von der Kita abholt, wenn sein Flieger in Rio gelandet ist. Auf den Punkt gebracht: Solange sogar Frauen, die Kinder wollen und eigentlich selbst genug verdienen könnten, viel lieber Piloten als Erzieher zum Parnter hätten, werden die Männer pinke Stühle nur unfreiwillig besetzen. Oder gar nicht.
Wir alle machen den Wind
Es wäre natürlich bequem, die Forderung nach Änderung allein den Institutionen zu überlassen: Die sollen doch bitte Männerbeauftragte einführen, Schwangerschaftskurse für Männer, das Thema in die Medien bringen usw. Der Bund gibt Millionen aus, um Frauen blaue Stühle schmackhaft zu machen – die Umkehrung könnte wirkungsvoller sein.